„Hör auf dein Herz“

Montag, 14.06.2021

„Hör auf dein Herz“

Ein Text von Musikjournalist Peter Hesse

Eine allgemeingültige Formel lautet: „In der Musik gilt nur ein Gebot: Hör auf dein Herz.“ Dieses gewichtige Zitat stammt von Herbie Hancock. Denn Musik handelt nicht von Musik, sondern vom Leben – von den Aufs und Abs. Von den Umwegen, die häufig steinig sind und Schrammen hinterlassen. Und wenn sie mal gerade verlaufen, weiß man es doch immer erst in der Retrospektive zu schätzen. Diese Gedanken sind auch bei SALZUFER sichtbar. Denn Musik soll einem helfen, ein produktives, ein nützliches, ein sinnvolles Leben zu führen. Bei SALZUFER hat jede Komposition…

SALZUFER spielen Jazz mit den Mitteln und der Besetzung eines Trios. Sie komprimieren Noten und halten alles in Bewegung ist. Hier regieren Mentalität und Moral, sowie Initiative und Vision – und das ist der Resonanzboden ihrer Songs. Ein markanter, weicher und zugleich flexibler Ton fließt durch ihre Stücke. Dazu addieren sich einen ekstatischen Swing und am richtigen Moment die Hinwendung zu Einflüssen jenseits gängiger Schemen. Und so bekommt jeder einzelne Song eine ganz eigene Färbung.

Eben noch wie minimalistischer Arthaus-Film für die Ohren, der jedoch viele Referenzmöglichkeiten mit einbezieht und seine Wurzeln nicht verleugnet. Dann ein bunter Strauß ausufernder Musikalität mit einer Reihe an Kabinettstückchen seiner Solisten. Flüchtigkeit und Meisterschaft wechseln sich ab mit Melancholie und Utopie. Plötzlich wird eine völlig unerwartete Richtung eingeschlagen. Nach dem Wechsel von dem zweiten in den dritten Gang agieren SALZUFER nicht mehr mit der feinmotorischen Pinzette, sondern mit geradeaus denkender Instrumentierung. So bleibt die Grundstimmung ihrer Stücke vielseitig – und total mitreißend. Von den Kunstwerken eines Jackson Pollock sagt man, dass sie weder Anfang noch Ende kennen. Denn das Wesen der Kunst ist ja, dass immer irgendwo ein Geheimnis versteckt ist.

Und SALZUFER sind Geheimnisträger. Sie erschaffen so mit viel Verve und Herzenswärme leichtfüßige Pirouetten, die schon mal in einem aufbrausendem Klang-Lametta enden. Die dreidimensionale Leinwand wird hier mit Saxophon, Keyboards und Gitarre zum Vibrieren gebracht. Die Musiker René Decker, Peter Schenderlein und Micha Ritter erschaffen in expressiver Flugbahn ein Noten-Gemälde nach dem anderen. Jeder der drei Solisten ist ein Virtuose an seinem Instrument. Aber eine gewisse Anlage ist beim Musizieren schon die Voraussetzung. Es braucht eine grundsätzliche Neigung oder sagen wir einfach: Talent.

Und wenn man sich als aufmerksamer Zuhörer in die Klangspaziergänge dieses Trio reinfallen lässt, kommt einem das auch als Zuhörer in den Sinn: es scheint keine Begrenzung zu geben. Fast wie ein flüchtiges Aufwärmprogramm, welches niemals endet – und gleichzeitig ohne aufwendig gestalteten Firlefanz auskommt. Nein, hier ist Lässigkeit und Altersmilde der King. Und der King ist ja bekanntlich der Chef.